Bahnprivatisierung auf amerikanisch

© Kutay Tanir - FOTOLIA

Wann immer ich in den USA war, habe ich mich gewundert, wie schlecht dort der ÖPNV (Öffentlicher Personen Nah Verkehr) organisiert ist. Auf der einen Seite steht da natürlich die geringe Bevölkerungsdichte auf dem flachen Land. Das gibt es ja auch hier in Deutschland, Dörfer in denen nur zwei Mal am Tag ein Bus fährt. Allerdings gibt es auch in den Großstädten nur Busse und natürlich die U-Bahnen. Ein Strassenbahnnetz, wie wir es in Deutschland gerne benutzen, kennen die Amis nicht. Eigentlich merkwürdig, möchte man denken, denn die Amerikaner haben immer alles geliebt, was nach Technik und Fortschritt aussieht. Mir ist es völlig neu, dass die von der anderen Seite des Teichs auch ihre Strassenbahnen hatten, sogar ganz viele. Insgesamt 37.500 Stück davon fuhren in der Hochzeit durch die Strassen.

Was ist damit passiert?

Eine interessante Frage, die Antwort darauf war auch mir völlig neu. In den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts bildeten die großen Kraftfahrzeugunternehmen der USA ein Kartell (darunter GeneralMotors, Firestone, Greyhound, etc.) und kauften sukzessive alle Strassenbahnunternehmen auf. Das Kalkül: Wenn sie die an sich erfolgreich operierenden ÖPNV-Unternehmen langsam über die Zeit stilllegten, müssen alle Fahrgäste entweder aufs Auto umsteigen oder zumindest den Bus nehmen. Allein zwischen 1936 und 1956 sank daher die Zahl der eingesetzten Strassenbahnzüge von 37.500 auf 5.300 Stück. Für das Kartell ging die Rechung auf, für die Allgemeinheit natürlich nicht.

Das beste Beispiel dafür ist Los Angeles. Eine Stadt, die im Smog versinkt und inzwischen eine kumulierte Staudauer übers Jahr von 72 Stunden aufweist. Dabei war die Heimat der Engel einmal eine der am besten elektrifizierten Metropolen Amerikas. Zu verdanken hatten das alle dem Visionär Henry Huntington. Um 1850 investierte er sein gesamtes ererbtes Kapital in den Bau eines Strassenbahnnetzes. Allerdings schloss er nicht nur die Innenstadt von Los Angeles an, sondern baute ein Netz von Strassenbahnlinien in bis weit in die Wildnis hinein. Sein Kalkül: Die Menschen ziehen dahin, wo sie verkehrsmäßig gut angebunden sind. Und er sollte Recht behalten. Innerhalb weniger Jahre explodierte die Stadt von 50.000 Einwohnern auf eine Viertelmillion und bald über jede Millionengrenze hinaus. Seine Investition zahlte sich daher auch für ihn aus. Heute hätten die Menschen in Los Angeles sicher ihre Strassenbahn gerne wieder zurück. Unglücklicherweise wurden die alten Schienen nach ihrer Stillegung zugeteert. Daher müsste das ganze Netz neu gebaut werden und das ist heutzutage unbezahlbar. 🙁

Wenn ich mir diese Geschichte so ansehe, fragt man sich, ob es tatsächlich eine so gute Idee ist, die Bahn in Deutschland zu privatisieren…

Diese und andere Geschichten über spannende Visionen habe ich in dem Buch „Zukunft im Kopf“, von Prof. Dr. Kasimir M. Magyar und Dr. Peter Prange gelesen. Leider gibt es das Buch nur noch im Antiquariat. Das ist schade, denn es ist wirklich sehr lesenswert 🙂

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