Den Elefanten am Rüssel packen

Sie sind ein vorbildlicher Entscheider? Sie arbeiten nach einem gut strukturierten Entscheidungsverfahren? Sie habe in jeder Entscheidung eine große Anzahl attraktiver Alternativen?

Und ein Großteil Ihrer Entscheidungen stellt sich für Sie im Nachhinein als schlecht heraus?

Dann geht es Ihnen wie Bernd S. Ich habe selten einen so akribischen Entscheider unter meinen Kunden gefunden. Insofern war es eine echte Herausforderung die Ursache für die schlechten Ergebnisse seiner Entscheidungen zu finden.

Wie sich herausstellte, waren es insbesondere Investitionsentscheidungen, die Unternehmer S. liebend gerne zurückgedreht hätte. Als das klar war, schwante mir schon, wo der Hund oder vielmehr der Elefant begraben liegt.

Wie ging Herr S. bei seinen Entscheidungen vor? Er orientierte sich bei seinen Entscheidungen an seinen strategischen Zielen (sehr gut), definierte klar und abgegrenzt die Problemstellung (wunderbar). Im nächsten Schritt definierte er Entscheidungskriterien, die er aus der Zielsetzung und der Problemstellung abgeleitet hatte (phänomenal) und brachte seinen Standarsatz betriebswirtschaftlicher Entscheidungskriterien ein und gewichtete alle Entscheidungskriterien nach seinen langfristigen Unternehmerpräferenzen (würde ich niemals anders machen).

Wie sah das im konkreten Einzelfall aus? Unternehmer S. hat das strategische Ziel, in seinem Markt zum Qualitätsführer zu werden. Seine Kunden bewerten die Qualität im Vergleichsbenchmark zur Konkurrenz bereits um 7% höher, aber er möchte dass seine Kunden bei ihm kaufen, weil er die beste Qualität bietet.

Dies ist heute noch nicht der Fall und daher befindet er sich immer noch im Bereich des Preiswettbewerbs.

Als eine Reinvestition für eine Maschinenanlage ansteht, zieht er verschiedene Angebote heran. Dabei gibt es Anlagen, die Qualitätsprüfungen und Interventionen zulassen und andere Anlagen, die die Qualitätsprüfung weiterhin dem Menschen überlassen. Zwischen diesen verschiedenen Anlagenphilosophien besteht eine große Preisdifferenz, wie auch nicht anders zu erwarten ist 🙂

Unternehmer S. gewichtet das Entscheidungskriterium „Qualitätssicherheit in der Produktion“ am stärksten. Allerdings sind für ihn auch die betriebswirtschaftlichen Kriterien, die er ansetzt relativ wichtig. Dies sind „Anschaffungskosten“, „ROI“, „laufende Kosten“ und „Budget-Treue“. In seiner Entscheidung gibt es noch sieben weitere Kriterien, die ich Ihnen hier einfach mal erspare, da sie nichts mit der Problematik zu tun haben.

Nachdem sein Entscheidungskompass steht (Entscheidungskriterien mit Gewichtungen), bewertet S. die verschiedenen Anlagenalternativen. Im Ergebnis scheint die preiswerteste Anlage die beste Entscheidung für sein Unternehmen zu sein. Seltsamerweise ist das in den vergangenen 5 Jahren immer so gewesen. Unternehmer S. fühlt sich zum Entscheidungszeitpunkt völlig entzwei gerissen. Auf der einen Seite möchte er rein emotional lieber eine der Anlagen, die eine noch bessere Qualität versprechen, auf der anderen Seite sagt ihm sein persönlich auf ihn abgestimmter Entscheidungsprozess, dass er lieber eine der traditionellen Anlagen anschaffen soll.

Ich kenne dieses Dilemma gut. Denn es ist sehr leicht, in diese von mir so genannte „Elefantenfalle“ hineinzugeraten. Der aufmerksame Leser weiß natürlich längst, wo das Problem liegt. Nur häufig ist es nicht so gut sichtbar, wie in diesem Fall.

Unternehmer S. hat zwar die höchste Gewichtung auf „Qualitätssicherheit in der Produktion“ gelegt. Doch dann hat er mit seinen betriebswirtschaftlichen Kriterien einen Elefanten geschaffen. In vier einzeln genannten Kriterien ist der Aspekt Kosten enthalten:

  1. Anschaffungskosten
  2. ROI – Return on investment (investments sind Kosten)
  3. laufende Kosten (in den Maschinenstundensätzen schlagen sich über die Abschreibungen noch einmal die Anschaffungskosten nieder)
  4. Budget-Treue (heißt nichts anderes, als dass die Anschaffungskosten eine vorgegebene Schwelle nicht überschreiten)

Selbst wenn der Unternehmer diese Kriterien relativ niedrig gewichten würde, entsteht daraus immer noch ein Elefantenkriterium, das alle anderen Entscheidungskriterien platt walzt 😮

Bernd S. hat diese Entscheidung noch einmal neu aufgerollt und mit einem ganz anderen Ergebnis abgeschlossen 🙂

Mein Tipp: Nutzen Sie Ihre Intuition als Qualitätssicherung. Wenn Sie selbst am Ende eines gut strukturierten Entscheidungsprozesses nicht das Gefühl haben, das Richtige zu tun, dann könnte es zum Beispiel sein, dass Ihr Elefantenhaus Zuwachs bekommen hat 🙂

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