Die Vorteil-Nachteil-Falle

image Wir arbeiten nichts ahnend vor uns hin, da ruft ein Per­so­nal­berater an. Schon der zweite in dieser Woche! Wie auch schon beim letzten Mal ver-spricht uns der Anrufer mehr Geld und einen baldigen Kar­rie­re­sprung.

Wir müssten lügen, wären wir nicht versucht. Doch so einfach ist es nicht. Denn der Job, den wir gerade machen ist nicht schlecht und war in der vergangenen Krise niemals gefährdet. Einige Freunde wünschten sich das von ihren Jobs auch.

Also Zeit für eine Entscheidung!

In der Schule habe ich gelernt, dass wir bei einer wichtigen Ent­schei­dung die Vorteile und Nachteile der verschiedenen Alternativen ei­nan­der gegenüberstellen sollen. Diejenige Alternative mit dem besten Verhältnis an Vor- und Nachteilen würde auch am besten für uns sein.

Jeder kennt diese Vorgehensweise und ich treffe viele, die sie als die einzig Richtige verteidigen. Doch das hilft alles nichts. Gehen wir so vor, befinden wir uns mitten in einer saftigen Entscheidungsfalle.

Die Vorteil-Nachteil-Falle

Dabei klingt es doch ganz vernünftig, wenn wir die Vor- und Nachteile unserer Alternativen gegeneinander abwägen. Was soll so schlimm daran sein?

  1. Ein Konstruktionsfehler
    Die Entscheidung beginnt vor vollendeten Tatsachen. Der Ent­schei­der hat bereits seine Alternativen und soll jetzt sagen, welche davon die beste ist. Jeder Depp kann in dieser Situation eine Entscheidung treffen, aber selbst ein Überflieger wird keine gute Entscheidung treffen können. Denn wir müssen wissen, was wir wollen, bevor wir unsere Entscheidung treffen können.
     
  2. Ein Kuckucksei
    Mit jedem Vor- oder Nachteil, den der Entscheider findet, bildet er ganz unkritisch Entscheidungskriterien. Entscheidungskriterien sind die Währung, mit denen ich meine Alternativen bewerte. Da­her sollte ich bei ihrer Definition so vorsichtig und ver­ant­wor­tungsbewusst damit umgehen, wie ehedem die Bundesbank mit der D-Mark.
  3. Mangel passender Alternativen
    Die Vorteil-Nachteil-Methode sieht nicht vor, dass wir neue at­trak­tive Alternativen schöpfen. Ich gehe ja von den vor­han­de­nen Alternativen aus und vergleiche diese auf Grundlage ihrer Vor- und Nachteile.
    Das ist logisch. Meine Entscheidungskriterien geben meinen Bedarf wieder. Habe ich sie nicht bewusst formuliert, kann ich auch keine neuen bedarfsorientierten Alternativen schaffen.
  4. Keine Priorisierung
    Die Urform der Vorteil-Nachteil-Methode sieht keinerlei Un­ter­schied zwischen den gefundenen Vor-und Nachteilen. Das heißt, am Ende gewinnt die Alternative, die die meisten Vorteile auf sich vereint.

    Stellen wir uns vor, wir hätten die Möglichkeit, aus einer Reihe von Menschen unseren Lebenspartner auszuwählen. Vorteile, die wir finden konnten sind unter anderem tolles Aussehen, Intelligenz, Stil, Humor, Geld, Liebe, usw. Ein Kandidat, kann die meisten dieser Kriterien auf sich versammeln. Für einen anderen spricht lediglich ein Vorteil, wir lieben ihn.

    Nach der Vorteil-Nachteil-Methode würden wir daher denjenigen heiraten, der besser aussieht, mehr Stil und mehr Geld hat. :shock: Es ist zwar schade, dass wir auf die Liebe verzichten müssen, aber man kann ja nicht alles haben! :-P

Streng genommen blicken wir hier auf eine Methode und keine Ver­hal­tens­wei­se, wie bei der Wahllosfalle. Trotzdem führe ich das Ganze als Entscheidungsfalle. Denn wir wenden sie so oft an,  die Ergebnisse sind meistens schlecht und wir neigen dazu, sie trotz ihrer Fehler immer wieder zu verwenden. Denn wir haben es ja in der Schule so gelernt 😮

Entscheidungen geben unserem Handeln eine Richtung. Wo wir uns heute befinden, haben wir durch unsere vergangenen Entscheidungen bestimmt.

Wer nach Vor- und Nachteilen urteilt, verliert seine Richtung aus den Augen. Im Vordergrund stehen die Chancen. Das kommt allen ent­ge­gen, die keine Vorstellung davon haben, wo sie in zehn Jahren stehen wollen. Das macht es allerdings nicht besser.

Die Top-Management Variante der Vorteil-Nachteil-Falle heißt übrigens SWOT (Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen). SWOT eignet sich hervorragend, um meine Ausgangssituation zu be­wer­ten. Leider lässt sich jede gute Methode auch vergewaltigen. Daher nutzen viele sie heute, um damit Alternativen zu bewerten, wo­zu SWOT definitiv nicht gedacht und nicht geeignet ist.

Mein Tipp: Nur weil viele Menschen eine Methode anwenden und glau­ben, dabei gut zu fahren, muss sie noch lange nicht gut sein!

Jobentscheidung

Haben wir eine klare Vorstellung davon, wo wir in zehn Jahren stehen wollen, können wir auch die Angebote der Personalberater einordnen. Ist eines dabei, das auf dem Weg dorthin liegt, fällt die Entscheidung leicht. Wenn nicht ebenfalls. 🙂

Über die Vorteil-Nachteil-Falle und 14 andere Entscheidungsfallen, lesen Sie mehr in meinem Buch “Das Entscheiderbuch. 15 Entscheidungsfallen und wie man sie vermeidet”.

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